Tue das für dich

Im Frühjahr 2011 träumte ich, nach Deutschland zu ziehen. Ich erzählte davon einem unbekannten Polizisten, den ich auf einer Webseite zum Sprachtandem kennengelernt hatte. Ich übte mit ihm Italienisch und er mit mir Deutsch. Ich hatte aber zu dem Zeitpunkt viele Themen offen: Meinem Papa wurde 2010 Prostatakrebs festgestellt und im Januar 2011 ist mein Neffe Paolo auf die Welt gekommen, der mir so viel Freude schenkte. Ich war mir über den Zeitpunkt unsicher und hatte etwas Respekt davor, in einem anderen Land von Null anzufangen. Deswegen träumte ich nur davon.

Es ist aber erstaunlich, wie sehr ein Satz von diesem unbekannten Mann mich traf: “Wenn du den Wunsch hast, nach Deutschland zu ziehen, solltest du diesen Schritt wagen. Mach das für dich und für niemanden sonst. Du schuldest es dir”. Das brach mich wirklich zum Nachdenken und er hatte Recht.

Heute, wenn ich meine Geschichte jemandem erzähle, den ich nicht so gut kenne, sage ich: “Ich wollte nicht 40 werden und mich fragen, wie wäre es gewesen, wenn ich nach Deutschland gezogen wäre” – und das stimmt wirklich.

Ich begann im Sommer 2011 ‘just for fun’ mich in Deutschland zu bewerben und erhielt in Februar 2012 einen 1-jährigen Vertrag beim Webhosting-Anbieter 1&1 in Karlsruhe. Das änderte mein Leben.

Es war nicht einfach und manchmal habe ich an meiner Entscheidung gezweifelt aber das ist Teil des Spiels und das ist mein Spiel.

Ich bin stolz auf mich, weil ich diesen Schritt gewagt habe, weil ich durchgehalten habe und zu meiner Entscheidung gestanden bin. Ich habe zum ersten Mal den Mut gezeigt meinem Traum nachzugehen und heute, 11 Jahre später, kann ich behaupten, ich hätte nicht besser entscheiden können.

Sich etwas zu gönnen, den Instinkt zu folgen, das lohnt sich immer. Wir haben nur ein Leben, keine Zeit es zu verschwenden und nicht daran zu glauben, dass wir unser Leben in die Richtung lenken können, die uns am Besten gefällt. Es zu probieren, immer: Das ist unsere Aufgabe und die Kunst des Lebens.

Mein Zug nach Karlsruhe zum Vorstellungsgespräch

Treffe dich

Nach einer Woche harte aber schöne Arbeit, habe ich mir das gegönnt.

Mit vielen Leuten aber in aller ersten Linie mit dir selbst… oder mit dir selber, da sind die Deutschen sich auch nicht immer einig 😅.

Danach wirst du in der Lage sein, dir auch etwas zu gönnen. Ansonsten würdest du im Leben nie darauf kommen. Denke aber denke vor allem an dich. Sorge für dich, immer.

Das Leben ist eine Reise: Deine.

Und dann…

Und dann kommt die Zeit, in der du zurückblickst, und glücklich und stolz auf dich selbst bist.
Du hast es hierher geschafft, egal wie viele Male du hingefallen bist. Du bist immer aufgestanden: manchmal ging es schneller und manchmal hast du etwas mehr Zeit gebraucht.
Du hast es mit deinen Kräften geschafft und du hast dir Hilfe geholt, wenn du nicht weiter wusstest.
Dein Willen ist stark. Du hast immer daran geglaubt, dass du genau das verdient hast, was du jetzt erreicht hast. Du hast einfach nie aufgehört, es zu probieren.
Jetzt, wenn du dich im Spiegel anschaust, kannst du dich ruhig anlächeln. Du bist deine beste Freundin geworden und Freunde sind lieb zu einander. Warum solltest du also nicht lieb zu dir selbst sein?!
Gönne dir Pausen, lese, gehe spazieren, mache Sport, reise, sei mal offline und verbringe Zeit mit dir selbst. Denn die Zeit, die du für dich selbst einräumst, ist sehr wertvoll.

Du hast alles was du brauchst, um glücklich zu sein. Verliere also keine Energie mit Vorwürfen und Schuldgefühlen, folge deinem Bauch: Er weiß den Weg! Selbst, wenn der nur zur Schokolade führt.
Du bist genau richtig: Traue dich, lebe dein Leben!

Ein Baum in der Sonne
Lebe dein Leben wie dieser Baum: Glücklich für ein Paar Sonnenstrahlen

Eine Brezel… danke!

Eine Brezel

Heute Morgen in der Schlange beim Bäcker war vor mir ein Papa mit einem Baby im Maxi-Cosi und einem vierjährigen Jungen. Schon beim Anstehen war ich erstaunt wie ruhig der Junge war: Er bewegte sich immer brav nach vorne, sobald sein Papa es auch tat. Als sie dran waren, merkte ich, dass der Junge zum Tresen ging, auf die Fußspitzen stieg und ein Euro auf den Tresen legte. Er sagte ganz stolz und konzentriert: “Ich hätte gerne eine Brezel!”. Als die Bäckerin Richtung der Brezeln ging, sagte sein Papa: “Und dann? Was musst du noch sagen?”. Der Junge überlegte keine Sekunde und fügte: “Danke!” hinzu. Nachdem die Bäckerin seinen Papa noch bedient hatte, sagte sie dem Jungen zum Verabschieden: “Das hast du richtig toll gemacht!”. Er ging aus der Bäckerei raus 2 cm größer.

Solche Szenen beobachte ich gerne und ich bin immer erstaunt, wenn Kinder unabhängig agieren. Man sieht ihnen die Konzentration und die Freude an, wenn sie das erreichen, was sie vor hatten.

Zeichnen ohne Radiergummi

Beim Nichtstun, habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe dabei einen unruhigen Kopf, der sich ständig bei mir meldet und nicht zufrieden stellt, wenn ich mal auf den Pause-Knopf drücken möchte. Danach gewinnt meistens der Kopf und hinterlässt mir ein komisches Gefühl, weil ich beim Nichtstun auch nicht richtig dabei war. Ich war schließlich zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt.

“Es gibt absolut nichts in der Vergangenheit, das du ändern kannst. Das ist simple Physik. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du nichts tust. Durch Tun entsteht wahrscheinlich mehr Schaden auf der Welt als durch Nichtstun. Aber mach das Beste aus dem Nichtstun. Sei achtsam dabei.” – dieser Satz vom englischen Autor Matt Haig ist für mich sehr wahr.

Ich bin gerade dabei zu lernen, bewusster zu entscheiden, wenn ich Nichtstun möchte und mir weniger dabei zu denken. So bin ich hinterher nicht mehr enttäuscht, dass ich die Zeit verschwendet habe, sondern bin ich eine Erfahrung reicher, weil ich mir doch eine Pause gönnen kann. Achtsamkeit ist oft der Schlüssel, den ich vergesse dabei zu haben.

Beim Leben macht man Fehler, aus Fehlern lernt man.

Meine drei Säulen

Als ich 17 war, ging mein Papa in Rente. Ziemlich schnell etablierte er eine gewisse Routine, die ich immer etwas kritisch sah. Meiner Meinung nach machte er jeden Tag das Gleiche und das empfand ich als langweilig damals.

Er stand um 8:00 Uhr auf, frühstückte, dann machte er etwas Hausarbeit und aß mit meiner Mama zu Mittag. Nachdem er mit sich selbst Karten spielte oder sein Buch weiter las, ging er zu einem Café und spielte Karten mit seinen Freunden. Gegen 16:00 Uhr kam er nach Hause und bereite sich einen kleinen Snack vor, schaute die Nachrichten und ging anschließend eine Runde Fahrrad fahren. Nach dem Abendessen las er wieder und schaute zum Tagesabschluss fern. Gegen 23:00 Uhr ging er ins Bett.

Für mich war es als Jugendliche unvorstellbar, jeden Tag einen bestimmten Muster zu folgen. Jetzt mit etwas mehr Lebenserfahrung verstehe ich, dass dieser Ablauf ihm half gut zu funktionieren. Man braucht im Leben bestimmte Säulen, an die man sich anlehnen kann, um ein besseres Gefühl zu haben.

Ich habe jetzt auch meine drei Säulen: Diese sind drei Aktivitäten, die ich jeden Tag mache, um im Reinen mit mir selbst zu sein. Meine drei Säulen sind das Yoga, die Meditation und das Schreiben auf mein Gratitude Journal.

Ich praktiziere jeden Tag für mindestens 30 Minuten Yoga, um meine Energie in die richtigen Kanäle zu leiten. Ich meditiere 20 Minuten Abends, um die Gedankenkreisen zu beruhigen und zu mir zu finden. Ich liste jeden Tag 10 Dingen auf, worüber ich dankbar bin, um den Blick auf das Positive in meinem Leben nicht zu verlieren.

Ich mache jetzt auch jeden Tag das Gleiche und verstehe besser warum mein Papa das damals auch machte: Man braucht bestimmte Aktivitäten, auf die man immer zurückgreifen kann, wenn man Sicherheit oder ein besseres Gefühl im Leben braucht.

Ohne Säulen steht ein Gebäude wie dieses nicht.

Du verzichtest

In der letzten Zeit höre ich in Dauerschleife das Lied Rinunci (Du verzichtest) des italienischen Sängers und Schriftstellers Gio Evan. Ich stelle mir dabei vor, dass ein guter Freund mir diese Wörter sagt, um mich in meinem Leben zu ermutigen, aktiv zu sein und Entscheidungen zu treffen. Das Schlimmste für jeden von uns wäre, alt oder krank zu werden und sich dabei Vorwürfe machen. Wir wollen uns doch nicht sagen: “Ich habe mich nicht entschieden, die meisten Tage glücklich und mutig zu leben”. Wir haben ja nur ein Leben, das sollten wir nicht nur passieren lassen! Wir haben immer alles was wir brauchen, um glücklich zu sein.
Der Text von Rinunci ist so schön, dass ich es übersetzen möchte, sorry falls das sich nicht natürlich anhört: Ich bin kein Muttersprachler.

Du verzichtest
Gio Evan

Jedes Mal, wenn du nichts unternimmst
wenn du verzichtest und alles hinschmeißt
Jedes Mal, wenn du die Verantwortung der Zeit überlässt,
den Schicksal zu ändern
und du nicht darauf bestehst es selber zu machen
und du kein Rückgrat zeigst
und nicht dein Bestes gibst
Jedes Mal, wenn du deine Schätze dem Wind übergibst,
und die Augen schließt, um deine Ergebnisse nicht zu sehen
Jedes Mal wenn du dich entscheidest, nicht zu entscheiden
und du keine Entscheidung triffst, indem du wählst, nicht zu wählen
und dir dabei denkst, diese wäre keine Wahl
Jedes Mal, wenn du auf dieser Weise nichts unternimmst
und dabei hoffst, dass die Veränderung an sich, für dich die Lage ändert
oder dass das Schicksal sich um dein Wohlbefinden kümmern wird
Jedes Mal, wenn du dabei glaubst, dass man auf eine gute Nachricht
vor dem Sofa warten kann
Nun, jedes Mal, wenn du entscheidest, nicht zu entscheiden
keine Stellung zu nehmen
Jedes Mal, wenn du aufhörst, deinen Träumen
und deine Projekte zu verwirklichen,
verlierst du ein bisschen von der Schönheit,
die dich immer von den anderen abgehoben hat

Ich persönlich
mag dich, wenn du dich entscheidest
wenn du Rückgrat zeigst
und auch wenn sich alles in die falsche Richtung dreht
du die Mut findest, die Richtung zu wechseln.

Beim Losgehen kommt die Kraft

Das ist ein kleiner Reminder an mich selbst. Mir wurde gesagt, dass mich manchmal zum Glück zwingen muss, weil ich mir oft zu viele Gedanken mache, anstatt mal mit etwas loszulegen, das ich noch nie gemacht habe oder vorhabe. Beim Losgehen kommt die Kraft, diesen kleinen Zettel habe ich mir auf dem Schreibtisch platziert und darauf schaue ich immer, wenn ich mich frage, ob ich etwas unternehmen soll oder nicht. Einfach mal ausprobieren, nach dem ersten Schritt fühlt man sich meistens sicherer.

Kann mir jemand das bitte erklären?

Warum, wenn ich in Deutschland eine Pizza bestelle, muss ich 1 € Aufpreis zahlen, wenn ich sie gerne mit Mozzarella essen möchte?

Das Originalrezept ist doch mit Mozzarella und nicht mit Käse und überhaupt, was ist das für ein Käse? Emmentaler?

Ist das die Rache dafür, dass in Italien die Spätzle grün sind und wir sie ‚Spatzle’ nennen?

Deswegen sagen die Deutschen, wenn sie mehr als eine Pizza bestellen, dass sie z.B. ‚3 Pizzen’ oder ‚3 Pizzas’ hätten, obwohl die korrekte Pluralform ‚pizze‘ ist?

Zum Glück kann ich ja selber Pizza backen, diese ist sogar mit Gorgonzola!

Tonia Mastrobuoni beim Deutschlandfunk Kultur

Tonia Mastrobuoni ist Deutschlandkorrespondentin der italienischen Tageszeitung La Repubblica. Sie verfasst jeden Samstag einen Newsletter für Rep:, der Bertolt heißt und über die Ereignisse in Deutschland berichtet.

Ich mag ihren Schreibstil sehr sowie wie sie mit ihrer italienischen Sichtweise über das Leben in Deutschland berichtet. Heute hatte ich zum ersten Mal die Möglichkeit, sie auf Deutsch zu hören. Am Freitag 16.10.2020 war sie Gast beim Deutschlandfunk Kultur und sprach über die verschärften Coronaregeln.

Ich fand es sehr spannend sie auf Deutsch sprechen zu hören, vor allem weil sie gar keinen italienischen Akzent dabei hatte und ich bin generell von solchen Menschen immer sehr fasziniert. Zudem empfand ich, was sie berichtet hat, als sehr interessant auch im Bezug auf die neusten Maßnahmen, die man in Italien ergriffen hat, um die zweite Welle der Pandemie einzudämmen. Sie hat einige Hintergründe erklärt, die mir nicht so bewusst waren, wie z.B warum in Kampanien jetzt die Schulen erneut geschlossen wurden. Der Beitrag dauert zirka eine Stunde aber es lohnt sich meiner Meinung nach, ihn zu hören: Wie finden wir das richtige Maß?

Tonia Mastrobuoni, Quelle: bundesregierung.de