Bericht einer Zugfahrt mit Sinn
Ich war am Freitag in der S-Bahn und hatte mir vorgenommen ein Buch zu lesen. Ich konnte mein Vorhaben während der ersten 15 Minuten der Fahrt verwirklichen, aber dann stiegen sie in den Zug ein. Drei Mädchen: Eine deutsche und zwei osteuropäische junge Frauen. Sie fingen direkt an, sich tief zu unterhalten, sodass ich beschloss, mein Buch wegzupacken.
Ich schaute aus dem Fenster und hörte unauffällig ihr Gespräch zu. Sie unterhielten sich über ihre Ausbildung als Optikerinnen und sprachen über die deutsche Sprache. Die zwei Ausländerinnen berichteten, wie sie die Jugendsprache witzig finden und wie sie mit dem schwäbischen Dialekt zu kämpfen hatten aber ihn trotzdem sehr schön fanden. Sie waren beide nicht lange in Deutschland aber bemühten sich sehr, die Sprache zu lernen.
Ein Mädchen war aus der Ukraine und seit zwei Jahren in Deutschland. Ich fand, sie sprach gut. Sie wollte bestimmt nicht unbedingt nach Deutschland ziehen aber jetzt, dass sie da ist, bemüht sich um eine Ausbildung in der sie aktiv mit Kunden sprechen muss.
Ich kann nicht sagen, dass sie mich an meine Anfänge in Deutschland erinnerten, weil ich nach Deutschland kam, als ich bereits gute Vorkenntnisse hatte, aber ich empfand für die beiden Mädchen große Sympathie.
Ich finde für viele Deutsche ist es nicht so präsent, wie schwer Deutsch als Sprache ist. Genau das war für mich immer der Grund, warum ich Deutsch lernte: Die Sprache ist schwierig und man muss sich sehr bemühen, um sie gut zu beherrschen.
Oft betrachten wir als selbstverständlich, dass jemand eine Sprache spricht, in der wir uns unterhalten können und sehen aber nicht, wie viel Mühe die Person hatte, um sie zu lernen. Sprachen sind für mich nicht nur meine Leidenschaft, sondern auch mein Beruf geworden und ich denke, man sollte allgemein mehr Geduld üben, wenn man sich mit jemandem unterhält, der kein Muttersprachler ist.
Ich stieg aus dem Zug aus und habe mich irgendwie dankbar gefühlt, dass ich der Konversation folgen konnte und dachte nach, wie vielfältig die deutsche Gesellschaft ist. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, mit diesen Mädchen ein Teil davon zu sein.
